Stell dir vor: Der Bauer surft schneller als der Banker

Wirtschaftliche und politische Aspekte zur DSL Infrakstruktur auf dem Land

Moderatoren: KHS, Gaul Hartmut

Stell dir vor: Der Bauer surft schneller als der Banker

Beitragvon KHS » Mo 12. Apr 2010, 20:36

Stell dir vor: "Der Bauer surft schneller als der Banker!"

Mit diesem Horrorszenario versuchen derzeit Experten, die Auflagen der Bundesnetzagentur zur Versteigerung der 800 MHz Frequenzen (Digitale Dividende) aufzuweichen. Es könne nicht sein, dass die ländliche Bevölkerung plötzlich schnellere und komfortablere Internetzugänge bekommt als die lukrativen Ballungsgebiete.

Schaut man sich die Entscheidung der Präsidentenkammer zur Vergabe der Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang mal genauer an, ist aber eher das Gegenteil zu befürchten. Im Absatz IV.4 "Frequenznutzungsbedingungen" findet man unter Punkt 5 die genannte Auflage:

5. Aufgrund der besonderen gesetzlichen Vorgaben ist gemäß der Nutzungsbestimmung 36 der Änderungsverordnung zum Frequenzbereichszuweisungsplan eine gesonderte Verpflichtung für die Frequenzen im Bereich 800 MHz vorgesehen. Ein Frequenzzuteilungsinhaber ist verpflichtet, bei der Frequenznutzung im Bereich 800 MHz in allen Bundesländern einen Versorgungsgrad von mindestens 90 % der Bevölkerung der von den einzelnen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden (vgl. hierzu anliegende Listen, Beilagen) ab dem 01.01.2016 zu erreichen.

Die Ausbauverpflichtung muss mit dem Spektrum der 800-MHz-Frequenzen erreicht werden. Sollten während des Zeitraums bis zum 01.01.2016 Städte und Gemeinden durch andere Anbieter/Technologien mit gleichwertigen bzw. höherwertigen Breitbandlösungen versorgt werden, ist diese Versorgung auf die zu erreichende Ausbauverpflichtung von 90 % der Bevölkerung anzurechnen.

In allen Bundesländern sind zunächst wie folgt stufenweise nachfolgende Städte und Gemeinden mit Breitbandanschlüssen zu versorgen:
a) In einer ersten Stufe sind zunächst die von jeweiligen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl bis zu 5000 zu versorgen (Prioritätsstufe 1).
b) In einer zweiten Stufe sind die von den jeweiligen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von mehr als 5000 und bis zu 20000 zu versorgen (Prioritätsstufe 2).
c) In einer dritten Stufe sind die von den jeweiligen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von mehr als 20000 und bis zu 50000 zu versorgen (Prioritätsstufe 3).
d) In einer vierten Stufe sind die von den jeweiligen Bundesländern benannten Städte und Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von mehr als 50000 zu versorgen (Prioritätsstufe 4).


Bedenkt man, dass Lohra mit seinen 5630 Einwohnern nur zur Prioritätsstufe 2 gehört, kann der 800-MHz-Ausbau in Lohra erst dann beginnen, wenn die Orte der Prioritätsstufe 1 zu 90 % versorgt sind. D.h. erst in zwei bis drei Jahren.

Zudem gilt Lohra gemäß der Liste der Mit Breitband unterversorgte Städte und Gemeinden bereits als zu 59,60 % versorgt. Die derzeitige Wireless-DSL Versorgung durch die Stadtwerke Marburg als "andere Anbieter/Technologien mit gleichwertigen bzw. höherwertigen Breitbandlösungen" könnten sich die Mobilfunkbetreiber auf die geforderten 90 % anrechnen lassen.

Diese Auflage gilt nur für den 800 MHz Bereich. Alle anderen Frequenzbereiche können ohne Auflagen zum Ausbau des mobilen Internets der 4. Generation (4G) genutzt werden. D.h. in den Städten wird es bandbreiten-hungrige Dienste (wie z.B. mobiles Internet-TV für PDAs und Smartphones) geben, während dies auf dem flachen Land nicht angeboten wird.

Fazit: Der Ansatz der Bundesnetzagentur, die Mobilfunkbetreiber mit der Versteigerung zum Netzausbau auf dem flachen Land zu zwingen, klingt sehr gut. Bei genauem Hinsehen sind die Auflagen aber sehr weich, zu langfristig, und kaum zu kontrollieren.
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